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Rund 300 Millionen Menschen weltweit besitzen inzwischen digitale Währungen. 
„wissen aktuell“ geht dem Hype um Kryptowährungen und Blockchain auf den Grund und fragt: Wie schaffen wir es, mit Bitcoin, NFTs und Co. die Welt zu einem besseren Ort zu machen?

Unser Geld wird durch Inflation entwertet, unser Vertrauen durch Banken missbraucht, Milliarden Menschen vom Finanzsystem ausgeschlossen. Das sagen Krypto-Fans und vertrauen auf digitales Geld – etwa auf Bitcoin, die bekannteste Kryptowährung. Dezentral, mobil, ohne Bankgebühren. Könnte das die Lösung sein für die mehr als 50 Prozent der Menschen, die nicht in Demokratien leben, oder für die 1,7 Milliarden ohne Bankkonto? 

„wissen aktuell“ begleitet die Bitcoin-Aktivistin Anita Posch nach Südafrika, wo sie in einem der Townships von Mossel Bay Surferkids, Kioskbetreibern und anderen Geschäftsleuten hilft, eine Bitcoin-Infrastruktur zu schaffen. Aber: Macht das digitale Geld die Welt wirklich besser? Seine eigene Bank zu sein, bedeutet auch riesige Verantwortung. Bislang sind Kryptowährungen vor allem auch als Spekulationsobjekt im Einsatz – als unregulierte Wertpapiere, die immer wieder in spektakuläre Betrugsfälle und Kursabstürze verwickelt sind. Es gibt weder Haftung noch Einlagensicherungen, und auch die Sicherung der eigenen Wallet, der digitalen Geldbörse, ist komplex. 

Trotz vieler offener Fragen wächst der Krypto-Space. Kann die Blockchain als riesige „digitale Vertrauensmaschine“ das Betriebssystem für eine Gesellschaft liefern, in der wir alle fairer interagieren? Oder wird ihr Potenzial komplett überschätzt? 

Ein zwölfjähriger Schüler aus London wird Millionär dank einer Kollektion digitaler Profilbildchen, die er als NFTs verkauft, als in der Blockchain verankerte Unikate. MegaStars zeigen ihre NFT-Sammlungen. Matt Damon macht Werbung für Krypto. Unternehmen wie der „Bored Ape Yacht Club“, der Comic-Bilder von Affen vertreibt, sind auf einmal Milliarden schwer. Auch wenn der ganz große NFT-Hype hinter uns liegt, birgt die Technologie für Kryptoanhänger den Kern einer faireren Welt. Und für viele digitale Künstler birgt es die Hoffnung, wirklich von der Kunst leben zu können. 

So wie das Wiener Kryptokollektiv VRON. Sie haben zwar noch keine Millionen gemacht, dafür aber tolle Kunst wie etwa die CryptoWiener. Pixelige Abbilder von Wiener Stadtpersönlichkeiten, „leiwande Digitalkunst“. Wie sehen sie den Hype der letzten Jahre – was bedeutet er für Digitalkünstler wie sie? Gerade die Erfindung digitaler Besitzrechte schafft ganz neue Möglichkeiten am Kunstmarkt, sagt auch die Berliner Krypto-Galeristin Anna Graf. Zum Beispiel durch die Fraktionierung von Kunstwerken, die in Teilbesitzrechte aufgespalten und dann verkauft werden können – worin sie eine Demokratisierung des Zugangs zur Kunst sieht.

Eine ähnliche Idee verfolgt die Firma heartstocks, geht aber noch viel weiter: Die drei jungen Unternehmer rund um Till Rügge kommen aus der Finanzbranche – und wollen die erste richtige Börse für tokenisierte Werte schaffen. Wie zum Beispiel die Mercedes-Oldtimer eines der weltweit größten Sammler dieser Autos, der seinen Sitz in Oldenburg hat und mit heartstocks kooperiert. heartstocks will – statt unregulierte Testballons zu lancieren – klassisch regulierte, legale Anteile von Luxus-Assets auf Blockchain-Basis verkaufen. Durch die Verschmelzung von alt und neu soll Vertrauen für neue Technologien geschaffen werden. Das Credo: Alles muss verkaufbar werden. In wieweit macht das die Welt wirklich besser?

Im April 2016 launchen zwei Brüder aus Sachsen den ersten dezentral organisierten Investmentfonds der Welt: DAO, eine dezentralisierte autonome Organisation. Die Idee: Was der Fonds tut, ist in Smart-Contracts auf der Blockchain verankert. Investoren bekommen Tokens, die als Ticket zur Mitbestimmung im DAO genutzt werden. Es gibt keine Chefs, keine Bürokratie, nur Inhaber und Code. DAO sammelt in Rekordzeit ein Vermögen ein. Doch nachdem durch eine Schwachstelle im Code ein Unbekannter einen guten Teil der Investitionen gekapert hat, war der Imageschaden immens für den Krypto-Space insgesamt. Tatsächlich birgt die Technologie eine Menge offener juristischer Fragen, was Haftung und Risikoverteilung angeht – sagt heute auch Christoph Jentzsch, einer der DAO-Gründer.

Der Traum einer dezentralen Organisation aller Lebensbereiche treibt die Kryptszene dennoch um. Warum nicht über Governance-Token die Demokratie direkter gestalten, Wahlen ohne Wahlaufsicht durchführen, vom Pass bis zu unseren Gesundheitsdaten alles „on chain“ speichern? Im Kanton Zug in der Schweiz versucht die Stadtverwaltung als weltweites Modellprojekt gerade, komplett auf Blockchain umzustellen. Der gesamte Kanton ist dabei, sich als „Crypto Valley“ aufzustellen. Mehr als 1100 Kryptofirmen sind inzwischen dort angesiedelt, darunter die WEB3 Foundation, Polkadot und Worldcoin.

Für Kritiker sind solche Vorstellungen der blanke Horror. Denn nicht alle gesellschaftlichen Zusammenhänge lassen sich in Codes gießen. Gemeinschaft ist komplex und erfordert Vertrauen und Verantwortung – dennoch verfechten Kryptojünger die große Disruption. Aber was würde das in letzter Konsequenz bedeuten, wenn alle staatlichen Institutionen auf die Gemeinschaft übertragen werden und sich jeder selbst verwaltet? Wohin führt diese vermeintlich unendliche Teilhabe? Kann der Einzelne diese Verantwortung überhaupt tragen? Oder schafft sich der Staat dadurch am Ende selbst ab?

https://www.3sat.de/wissen/wissen-aktuell/wissen-aktuell-schoene-neue-krypto-welt-100.html

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